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Geowissen

Ur-Magnetfeld ohne festen Erdkern?

Unser Planet besaß schon vor 3,7 Milliarden Jahren ein erstaunlich starkes Magnetfeld

Bändereisenerz
Dieses Bändererz aus dem grönländischen Isua-Grünsteingürtel ist 3,7 Milliarden Jahre alt. Es hat die Signatur des damaligen Erdmagnetfelds bis heute in seinen Eisenmineralen gespeichert. © Claire Nichols

Wann entstand das schützende Magnetfeld unseres Planeten – und wie stark war es? Eine überraschende Antwort liefern nun 3,7 Milliarden Jahre alte Gesteine aus Grönland. In ihnen haben Geologen die ältesten eindeutigen Belege für das Erdmagnetfeld entdeckt. Sie legen nahe, dass dieses Ur-Magnetfeld fast so stark war wie das heutige – und schon existierte, bevor der innere Erdkern entstand, wie das Team berichtet. Die Urerde besaß demnach schon damals einen Schutz gegen den Sonnenwind. Doch reichte er aus?

Das Magnetfeld unseres Planeten ist sein wichtigster Schutzschirm: Er schützt die Erdoberfläche vor kosmischer Strahlung und den energiereichen Teilchenströmen der Sonnenstürme. Motor dieses unsichtbaren Magnetschirms ist heute die elektromagnetische Wechselwirkung von flüssigem und festem Eisen im Erdkern – der Geodynamo. Doch bisher ist strittig, wann der innere Erdkern erstarrte und so die Voraussetzungen für den modernen Geodynamo schuf.

Erdmagnetfeld
Das moderne Erdmagnetfeld wird durch Wechselwirkungen von festem und flüssigem Erdkern erzeugt. Doch wie war dies früher? © Petrovich9/ iStock

Unklar ist zudem, ob die Urerde nicht auch ohne festen Innenkern ein Magnetfeld erzeugen konnte und wie stark dieses war. Erste Hinweise auf ein solches Ur-Magnetfeld haben Analysen von einzelnen, 4,2 Milliarden Jahre alten Zirkon-Kristallen und von 3,4 Milliarde Jahre alten Gesteinen aus Australien geliefert. Gerade bei den Zirkonen ist jedoch umstritten, ob die Magnetsignatur nicht jünger ist als die Körnchen selbst.

Gesteine aus dem Archaikum

Um mehr Klarheit zu schaffen, hat ein Team um Claire Nichols von der University of Oxford nach Magnetspuren in einer weiteren sehr alten Gesteinsformation gesucht: dem Isua-Grünsteingürtel auf Grönland. Dort liegen einige Sedimentgesteine aus der Zeit vor 3,8 bis 3,7 Milliarden Jahren frei. „Unsere Analysen legen nahe, dass Bändereisenerz-Formationen im nördlichsten Teil des Grünsteingürtels seit dieser Zeit keine metamorphischen Ereignisse mit mehr als 400 Grad Hitze durchlebt haben“, erklären die Geologen.

Das bedeutet: In diesem archaischen Gestein könnte die Signatur des Ur-Magnetfelds unverändert erhalten geblieben sein. Für ihre Studien analysierte das Team daher die Magnetisierung von Magnetit- und Apatit-Mineralen in 308 verschiedenen Gesteinsproben aus dieser Formation.

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Mindestens halb so stark wie heute

Tatsächlich konnten Nichols und ihr Team in vielen der Proben eine Magnetsignatur nachweisen. „Verlässliche Signaturen aus so alten Gesteinen zu gewinnen, ist eine echte Herausforderung, daher war es wirklich aufregend, als wir bei der Analyse diese primären Magnetspuren auftauchen sahen“, berichtet Nichols. Demnach besaß die Urerde schon vor 3,7 Milliarden Jahren ein Magnetfeld mit einer Feldstärke von mindestens 15 Mikrotesla – etwa halb so viel wie das heutige.

Die Geologen betonen zudem, dass ihre Ergebnisse eher die Untergrenze der damaligen Magnetfeldintensität darstellen. „Wir können daher nicht ausschließen, dass das Erdmagnetfeld des Archaikums sogar mindestens so stark war wie heute'“, schreiben sie.

Gesteinsproben
Das Forschungsteam führte die Messungen an hunderten solcher Probenscheibchen aus dem Isua-Grünsteingürtel durch. © Claire Nichols

Magnet-Dipol auch ohne festen Erdkern

Nach Angaben von Nicholls und ihrem Team sind diese Gesteinsproben aus Grönland damit der älteste eindeutige Beleg dafür, dass unser Planet schon in seiner Frühzeit – und vor Erstarren des inneren Erdkerns – einen Magnetschutzschirm besessen haben muss. „Unsere Ergebnisse stimmen mir früheren Studien überein, nach denen das Erdmagnetfeld schon seit dem Eoarchaikum aktiv war“, schreibt das Forschungsteam.

Demnach konnte die junge Erde auch ohne modernen Geodynamo schon ein relativ starkes Magnetfeld ausbilden. Geophysiker gehen davon aus, dass die treibende Kraft dahinter der Wärmeaustausch zwischen dem flüssigen Erdkern und dem festen Erdmantel war. Durch ihn kam es zu Konvektionsströmungen im leitfähigen, flüssigen Metall des Erdkerns, die das Magnetfeld erzeugten. Dazu passen jüngste Studien, nach denen die Stärke des Ur-Magnetfelds bis zur späten Bildung des festen Innenkerns sogar leicht und stetig abnahm.

Mehr Gasverlust aus der Atmosphäre

Nach Berechnungen der Forschenden reichte die schützende Blase des irdischen Ur-Magnetfelds bei 15 Mikrotesla mindestens fünf Erdradien weit ins All hinaus – halb so weit wie heute. Gleichzeitig war jedoch der Sonnenwind der noch jungen Sonne deutlich stärker als heute. „Angesichts dieser Bedingungen hätte der Sonnenwind mehr Material aus der polaren Erdatmosphäre ins Weltall hinausgerissen als heute“, erklären die Geologen.

Die neuen Messwerte liefern nun einen ersten genaueren Anhaltspunkt dafür, wie viel Gas die Erdatmosphäre damals verloren haben könnte. Noch sind allerdings weitere, genauere Messungen nötig, um die damaligen Bedingungen und auch mögliche regionale Unterschiede besser zu erfassen. (Journal of Geophysical Research: Solid Earth, 2024; doi: 10.1029/2023JB027706)

Quelle: University of Oxford

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